Gedanken zur Musikalischen Bildung

Zum Tag der Musikalischen Bildung möchte auch ich ein paar Gedanken niederschreiben.

Musikalische Bildung. Der Begriff an sich polarisiert. Gehört das Erlernen eines Instruments in den Bereich der Bildung? Oder ist es ein Hobby? Oder beides? Bereits diese Frage zieht schwerwiegende Konsequenzen nach sich. Darauf möchte ich aber hier gar nicht eingehen. Stichworte wären «Subventionierung durch die öffentliche Hand» oder «Zeitfenster innerhalb der Stundentafel der Volksschule». Da diese Diskussion aber doch sehr fachspezifisch ist, lasse ich das heute sein. Heute steht das Musizieren und die Musizierenden im Vordergrund.

Derzeit lese ich oft von einer Studie mit dem, aus meiner Sicht plumpen, Titel «Macht Musik schlau?» Allein der Titel zielt für mich völlig am Thema vorbei. Wenn Musik schlau macht, impliziert das, dass ich, anstelle der Mathe Aufgaben, auch eine halbe Stunde Musizieren kann und dann in Mathematik eine gute Note «hole». Ich denke nicht, dass jemand dieser naiven Vorstellung wirklich etwas abgewinnen würde – ausser Schlagzeuger ohne Affinität zur Mathematik vielleicht.

Viel mehr sind es aus meiner Sicht die Transfereffekte, welche der musikalischen Bildung eine besondere Bedeutung geben. Und ja, ich weiss, alles was ich jetzt schreibe, gilt auch für andere Fächer wie beispielsweise Handarbeit. Macht nichts. Ich bin Musikschulleiter und Instrumentallehrer. Darum gilt mein Plädoyer der musikalischen Bildung. Ich sage nicht, dass es nicht auch andere Fächer gibt, welche der Entwicklung dienlich sind. Die haben aber ihre eigene Lobby.

Das Erlernen eines Instruments fördert unter anderem die Feinmotorik. Welche im heutigen Alltag und der Schule oft zu kurz kommt. Greifen Sie mal einen Akkord auf einer Gitarre, dann wissen Sie, was Fingergymnastik ist. Musikalische Bildung fordert und fördert so vieles, was man bei den ersten Gehversuchen mit der Blockflöte, dem Klavier oder der Geige vielleicht nicht vor Augen hat.

Stichwort kompetenzorientiertes Lernen:  Lernstrategien erarbeiten, Lernmethoden abrufen, Selbsteinschätzung, Selbstdisziplin und viele weitere Themen aus dem Bereich Selbstkompetenz. Aber natürlich wollen wir keine exzentrischen Narzissten ausbilden. Musikalische Bildung fördert neben den intrapersonellen Kompetenzen auch viele interpersonelle Kompetenzen. Also jene Kompetenzen, welche sich nicht ausschliesslich mit dem Musizierenden, sondern mit der Beziehung zwischen zwei oder mehr Musizierenden, in diesem Fall zwischen Lehrperson und Schülerin oder zwischen Mitgliedern eines Ensembles/Orchesters, befassen.

Man muss sich austauschen. Nicht jeder kann immer die erste Geige spielen. Empathie, Dialogbereitschaft. Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Zeitmanagement. Gedanken so formulieren, dass sie vom Umfeld verstanden werden. Der Musizierende muss auf sein Gegenüber Rücksicht nehmen. Vielleicht kann der oder die Andere das Stück nicht so schnell wie ich? Also muss ich warten. Ich muss, darf vielleicht auch helfen. Resilienz: Manchmal geht etwas daneben. Ich bleibe dran, klopfe mir den Staub von der Flöte und übe weiter. Vielleicht ging es zu Hause, aber in der Stunde nicht? Frustrationstoleranz: Ich übe weiter. Irgendwann geht es. Ich bin befähigt, autonom Probleme zu erkennen und zu benennen und ich kann Problemstrategien definieren, um diese Probleme zu lösen. Ich bin befähigt, lebenslanges Lernen zu leben.

Sie merken schon.

Musizieren macht nicht schlau.

Musizieren bildet.

Musikalische Bildung. Für jede und jeden.

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