Gedanken zur Abschaffung der Schulpflegen im Aargau

Ein Artikel der AZ zum Thema «Abschaffung der Schulpflege» bewegt mich zu diesem Post.

Da es um ein Thema der Schule geht, sind 2 Punkte zum vornherein klar:

  1. Die Debatte ist sehr emotional. Vorgeschobenes Argument: «Es geht um das Wohl der Kinder». In der Realität geht es aber nicht selten um die Wahrung von Pfründen, Machtgelüsten, das Aufgleisen der eigenen politischen Karriere und andere Interessen. Aber nicht um das Wohl der Kinder.
  2. Jeder hat eine Meinung. Aufgrund der eigenen anekdotischen Erfahrungen («Ich war schliesslich auch mal in der Schule») werden globale Rückschlüsse auf das System Schule gezogen. Eine tendenziell sehr starke Vereinfachung. Einfach, und ob der Komplexität der heutigen Schule auch gefährlich.

Das ist vermutlich meistens so, wenn es um Themen der Volksschule geht. Darum soll das im Moment nicht interessieren.

Bevor die Frage erörtert wird, ob es die Schulpflegen (noch) braucht, muss meines Erachtens kurz gestreift werden, was die Aufgabe der Schulpflege heute ist und wie die Schule dahin kam, wo sie heute ist.

Mit der Einführung der geleiteten Schulen 2003, also der Installation von Schulleitungen, hat sich nicht nur die Bezeichnung der Führung (Rektor zu Schulleitung) geändert. Der frühere Rektor war hierzulande in der Regel eine Lehrperson, welche nach dem Rotationsprinzip alle paar Jahre wechselte und die Schule, mehr oder weniger glücklich, aber immer irgendwie zusammen mit der Schulpflege, geführt hat. Eine Trennung zwischen strategischer Ausrichtung und pädagogischer Führung war eher die Ausnahme.

Die heutigen Schulleitungen waren oftmals auch Lehrpersonen, haben sich dann aber intensiv weitergebildet und nehmen in ihrer Rolle als Schulleitung die operativ/pädagogische Führung der Schule auf hohem professionellem Niveau wahr. Die Aufgabe der Schulpflege umfasst seither vor allem die strategische Führung, aber auch die Beurteilung der Schulleitung, das Ausstellen und Auflösen von Arbeitsverhältnissen der Lehrpersonen und das Fällen von Laufbahnentscheiden von Schülerinnen und Schülern, deren Schullaufbahn mehr «Ecken und Kanten» hat, als üblich.

In einer perfekten Welt wäre das so.

In der Realität wurden die Pensen für die Schulleitungen vom Kanton viel zu gering bemessen und durch diesen Missstand sind viele Schulpflegen heute noch stark operativ tätig. Was der Schulentwicklung aber leider oft im Wege steht. Die Probleme der heutigen Schule sind nicht nur kompliziert, sie sind vor allem auch komplex. Da sind die Interessen der Schülerinnen und Schüler, der Eltern, der Wirtschaft, der Kantons- und Hochschulen, der Sonder- und Heilpädagogen, der Musikschulen, und und und.

Vor diesem Hintergrund sind viele Schulpflegen schlicht überfordert, wenn sie ins kalte Wasser der heutigen Schullandschaft geworfen werden. Dafür können sie nichts. Sie sind Quereinsteiger. Nur werden sie in einen Haifisch-Tank geworfen, der kaum mehr Fehler entschuldigt.

Mehrheitlich findet Unterricht immer noch in einem Schulsystem statt, welches irgendwann im 19 Jahrhundert von den Preussen geschaffen wurde, um fleissige Soldaten auszubilden. «Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir»? «Lebenslanges Lernen»? Fehlanzeige. Stattdessen Repetition: «Biigelirächne». Irgendwann geht es dann schon.

Was wäre also die Lösung, um das hochkomplexe Gebilde «Schule» zu reformieren, fit für die «digitale Schule 2.0» zu machen und in die Neuzeit zu führen?

Vor allem bräuchte es grössere Pensen für die Schulleitungen, für grössere Schulen auch professionalisierte Co- oder Stufenleitungen. Aber keine Schulpflegen, welche sich alle paar Wochen zu einer Sitzung treffen und dann ins operative Geschäft eingreifen. Die Schulleitungen müssen gestärkt werden. Sie müssen befähigt werden, das fragile Gebilde «Volksschule» ins bildungstechnische 21 Jahrhundert zu führen.

Daneben braucht es eine strategische Führung, welche sich um die Langzeit-Ausrichtung der Schule kümmert und diese begleitet. Das kann der Gemeinderat sein, aber auch eine Schulkommission oder ein andersartiges Gremium. Wichtig ist nicht der Name des Gremiums, sondern dessen Aufgabe und die Abgrenzung zur Schulleitung. Eine klare Trennung zwischen operativem Tagesgeschäft und pädagogischer Führung auf Seiten der Schulleitung und strategischer Ausrichtung und Controlling auf der anderen Seite.

Darum sollten die Schulleitungen gestärkt werden. Mit mehr Kompetenzen, aber auch mit mehr Verantwortung, mehr Möglichkeiten und schliesslich dadurch einer grösseren Professionalität.

Es geht nicht um «Demokratieverlust» oder «Die Einführung von Globalbudgets». Das sind Scheinkämpfe und Rauchpetarden.

Es geht darum, unseren Kindern die beste Bildung angedeihen zu lassen die nach heutigem Kenntnisstand möglich ist. Ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten. Ohne Rücksicht auf Partikularinteressen. Die Schule von heute kann nicht mehr die Schule sein, wie wir sie kennen. Denn ihre Schülerinnen und Schüler müssen sich den Problemen von morgen erfolgreich stellen können. Und die löst man leider nicht mit den Methoden von gestern.

Wir stehen an einem bedeutenden Scheideweg. Lassen wir diese Chance nicht ungenutzt verstreichen und nutzen sie.

Für eine zeitgemässe Bildung. Für unsere Kinder. Für die Zukunft.